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Rückgrat der SS oder bloßes Organisationsgerippe?

31.10.2012

Referent: PD Dr. Bastian Hein, München

Rückgrat der SS oder bloßes Organisationsgerippe?

Am Vortag hatte Referent Hein in der Berliner Topographie des Terrors vorgetragen, am Folgetage zeigte er sich begeistert von einem noch höheren Besucheraufkommen im Kreismuseum Wewelsburg: Gut 100 Besucherinnen und Besucher hörten den Vortrag und nutzten im Anschluss die Möglichkeit, mit dem Referenten zu diskutieren. PD Dr. Bastian Hein, langjähriger Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, präsentierte in Wewelsburg die Ergebnisse seiner jüngst erschienen Habilitationsschrift, für die er die Geschichte der Allgemeinen SS und ihrer Mitglieder erforschte. Über deren Rolle existierten bislang sehr kontroverse Deutungen: Der „Reichsführer-SS“ Heinrich Himmler bezeichnete die Allgemeine SS als das „Fundament“ seines „Ordens“. Auch die Nürnberger Nachkriegsprozesse charakterisierten die Allgemeine SS als „Rückgrat“ der Schutzstaffel und stuften diese als „verbrecherische Organisation“ ein. Die Geschichtsschreibung hingegen widmete sich bislang eher anderen SS-Formationen wie den KZ-Wachmannschaften, dem Sicherheitsdienst SD oder der Waffen-SS. Die Allgemeine SS wurde als „nur auf dem Papier existent“ oder „bloßes Organisationsgerippe“ bezeichnet.

Diese widersprüchliche Deutung löste Hein in seinem gut strukturierten und verständlichen Vortrag auf. Die Allgemeine SS war eine eigene Teilgruppe der Schutzstaffel, mit konstant etwa 200.000 Mitgliedern in den 1930er Jahren allerdings die mit Abstand Größte: Rund 90 % der Mitglieder der SS gehörten zu dieser Zeit der Allgemeinen SS an und waren somit ehrenamtlich für die SS tätig. Die hauptamtlich Beschäftigten von Waffen-SS, SD oder KZ-SS bildeten somit eine Minderheit. Die Angehörigen der Allgemeinen SS kamen aus allen Schichten der deutschen Gesellschaft und waren bereit, weite Teile ihrer Freizeit für den SS-Dienst aufzuwenden und erhebliche Eingriffe in ihr Privatleben zu akzeptieren. Der „Heiratsbefehl“ Himmlers verpflichtete die SS-Angehörigen etwa, vor der Vermählung eine Genehmigung einzuholen: Nachdem der SS-Mann schon bei seiner Aufnahme eine Rasseprüfung zu bestehen hatte, wurde nun auch die potenzielle Braut auf ihre „arische“ Herkunft und „rassische Reinheit“ untersucht. Mit Kriegsbeginn erließ Himmler gar einen „Zeugungsbefehl“, um den zu erwartenden „Aderlass“ durch die Kriegsverluste auszugleichen. Verschiedene SS-Feierlichkeiten wie etwa die Eheweihe, die Namensweihe oder das Julfest sollten christliche Traditionen ersetzen. Die Teilnahme an den Feierlichkeiten wurde schließlich gar zur Pflicht erklärt. Inwieweit Himmlers heidnische Ansichten und vermeintlich germanisch-völkische Rituale aber tatsächlich von den Mitgliedern der SS angenommen wurden, ist, so Bastian Hein, eine methodisch kaum mehr beantwortbare Frage.

Zwei weitere Tätigkeiten stellte Bastian Hein als besonders bedeutungsvoll für die Mitglieder der Allgemeinen SS vor: Zum einen der wöchentliche Dienstsport, in dessen Rahmen man daran arbeitete, dem Körperideals der SS als besonders stark, leistungs- und durchsetzungsfähig nahezukommen und die Mitglieder zum Erwerb von SA- oder Reichssportabzeichen anhielt. Zum anderen die SS-Schulung, bei der den SS-Männern anhand der „SS-Leithefte“ u. a. die Rassetheorie vermittelt und über die vermeintlichen Feinde des deutschen Volkes „aufgeklärt“ wurde. Zahlreiche Angehörige der Allgemeinen SS wechselten in die Waffen-SS, die Totenkopfverbände oder in die Polizeieinheiten, beziehungsweise während des Krieges auch in großer Zahl zur Wehrmacht. Die Allgemeine SS bildete somit eine wichtige Personalreserve. Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder, so Referent Bastian Hein bei seinem Vortrag in Wewelsburg, müssten als zentrales Bindeglied zwischen NS-Herrschaftsapparat und deutscher Gesellschaft angesehen werden.

Übergang 4

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