Häftlingsbaracke

Als Objekt habe ich die Häftlingsbaracke neben dem Appellplatz ausgesucht. Es handelt sich um eines der wenigen noch erhaltenen Gebäude, die aus der KZ-Zeit stammen. Wir bauen dieses historische Gebäude zu einem Gedenkort aus und wollen es demnächst für die Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte zugänglich machen. Es ist ein sehr großes Objekt mit zahlreichen Bauspuren, die wir nach und nach in restauratorischer Feinarbeit freilegen. Alte Tapeten- und Farbschichten verweisen auf frühere Lebens- und Arbeitssituationen, die wir künftig vermitteln wollen.
Eigentlich wollte ich erst über meine Kontakte zu den Überlebenden erzählen, die ich seit 1992 durch die früheren Gedenkfeiern und Überlebendentreffen kennengelernt habe. Die Gespräche mit ihnen waren und sind für mich immer noch etwas ganz Besonderes. Die Beziehung zu den Überlebenden war meine Motivation, mich so intensiv in der Gedenkstätte zu engagieren. Durch das Ende der Zeitzeugenschaft erkenne ich nun aber auch einen Wandel in der Erinnerungskultur. Standen früher die Zeitzeugen mit ihren persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen im Mittelpunkt, so sind es jetzt mehr und mehr die baulichen Überreste der Schreckensorte. Erinnerungen brauchen einen Anker, um die Geschichten von damals erzählen zu können. Somit lege ich jetzt in der Baracke nach und nach „Erinnerungsfenster“ frei, um die Geschichten und die Erfahrungen ihrer Insassen und Bewohner zu erzählen.
Auf diese Weise erfülle ich das Vermächtnis, das uns die ehemaligen Häftlinge schon vor einigen Jahren mit auf den Weg gegeben haben und dem ich mich verpflichtet fühle: Wir sollen die historischen Orte erhalten, um die Erinnerung zu bewahren – in einer Welt, in der Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus keinen Platz haben sollen.

Kirsten John-Stucke, Museumsleiterin