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Die ehemalige Häftlingsküche des KZ Niederhagen

Erik Beck

Das Foto zeigt die ehemalige Lagerküche und den Anbau kurz vor der Umnutzung zu Flüchtlingswohnungen (1947, Walter Nies Stadtarchiv Lippstadt).
Das Foto zeigt die ehemalige Lagerküche und den Anbau kurz vor der Umnutzung zu Flüchtlingswohnungen (1947, Walter Nies Stadtarchiv Lippstadt).

Die ehemalige Häftlingsküche des Konzentrationslagers Niederhagen ist als Massivbau eines der wenigen Gebäude des ehemaligen KZ-Lagers, das noch größtenteils erhalten ist. 2018 kaufte der Kreis Paderborn den Anbau der ehemaligen Häftlingsküche des KZ Niederhagen an. Das Gebäude steht mittlerweile unter Denkmalschutz, weil bei bauhistorischen Untersuchungen im Inneren nachgewiesen werden konnte, dass die Grundstruktur des Gebäudes aus der Nutzungszeit des Konzentrationslagers noch in großen Teilen erhalten ist. Es wird momentan restauriert und soll ab April 2021 als neuer Teil der Gedenkstätte für Besuchergruppen offen stehen.


Die Rolle der Küche
In den Konzentrationslagern waren Reglementierung, Gewalt, Kontrolle, Willkür und Demütigung an der Tagesordnung. Ein Instrument der Kontrolle, Disziplinierung und Gewalt war die Versorgung bzw. Unterversorgung der Häftlinge mit Nahrung. Dies gilt auch für das Konzentrationslager in Wewelsburg.
Die SS kontrollierte somit wer wieviel Nahrung erhielt und übte damit entscheidenden Einfluss auf die Überlebenschancen der Häftlinge aus. Der Mangel an Nahrung und Nährstoffen war für die Häftlinge dauerhaft präsent und führte für zahllose Menschen im KZ Niederhagen zum Tod.

Im Konzentrationslager Niederhagen wurde unter der Aufsicht der SS von einem eigenen Arbeitskommando gekocht. Die Arbeit in diesem Kommando konnte bereits die Überlebenschance erhöhen, weil so zumindest die Möglichkeit bestand, heimlich an etwas Nahrung zu kommen. Gekocht wurde in einer Großküche. Das Gebäude der Häftlingsküche befand sich im Konzentrationslager Niederhagen direkt westlich an den Appellplatz anschließend und nahm so im Lagerplan eine zentrale Stelle ein. Sowohl für die SS, als auch für die Häftlinge war die Küche ein wesentliches Element des Konzentrationslagers.

Der Bau einer neuen Küche 1940/41
Das Häftlingslager auf der Flur Niederhagen, einem kleinen Waldstück an der Straße von Wewelsburg nach Niederntudorf, entstand ab September 1940. Zuvor waren die Häftlinge in einem kleinen Lager am Kuhkampsberg nordöstlich des Schlosses Wewelsburg untergebracht, das aus drei Baracken bestand. In einer waren die SS-Wachmänner untergebracht, in der anderen die Häftlinge. Die dritte Baracke diente als Wirtschafts- und Verwaltungsbau. Darin waren die Häftlingsküche, die Kleiderkammer, das Krankenrevier und Handwerksbereiche angesiedelt. Die Holzbaracken bestanden aus einem Modulsystem, das von mehreren Herstellern in Lizenz produziert wurde. Die einzelnen Wandmodule waren dabei zwischen 1,10 und 1,25 Meter breit und 2,60 bis 2,80 Meter hoch. Die drei Baracken wurden im Sommer 1940 nach und nach abgebaut, zum neuen Standort auf der Flur Niederhagen transportiert und dort von den Häftlingen erneut aufgebaut.

Auch nach der Übersiedlung der Häftlinge in dieses neue Häftlingslager wurde zunächst in einer der Baracken eine erste Küche eingerichtet, vermutlich in derjenigen, in der auch schon am vorherigen Lagerstandort die Küche untergebracht war. Von Anfang an war geplant, dass dieses neue Lager erweitert werden und somit eine große Zahl weiterer Häftlinge dort untergebracht werden sollte. Zur Versorgung der größeren Häftlingszahl wurde direkt westlich des Appellplatzes bereits im Winter 1940 mit dem Bau eines neuen unterkellerten Küchengebäudes begonnen. Ein Wachmann des KZ Niederhagen berichtete in einem Brief an seine Eltern, den er ihnen zu Weihnachten 1940 schrieb, vom Bau der neuen Küche:

„Habe heute den 21. Deinen Brief l[iebe] Mutter erhalten, bei uns ist es jetzt sehr einsam hier, 88 Mann sind auf Urlaub gefahren. Wir sind nur die Wache hier, gearbeitet wird nicht. Haben immer 24 Männchen Hauptwache und zwischen durch noch Postendienst. Es wird eine Küche gebaut, die soll bis Frühjahr noch fertig werden. Wir sind aber viel zu wenig Leute hier […].“

Die Häftlinge mussten die Baugrube in den felsigen Untergrund hauen und den Keller mauern. Der ehemalige Häftling Joachim Escher, berichtete davon in einem Interview 1991: „Besonders wie diese neue Häftlingsküche dann gebaut wurde, da ist es ziemlich grausam zugegangen.“ Viele Häftlinge seien dort beim Ausheben der Grube durch Unfälle und die Brutalität der Kapos und der SS-Aufseher gestorben.

Direkt neben dem Appellplatz befindet sich die Küche mit Anbau. Plan der SS-Bauleitung von 1943 (Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, Kreisarchiv, BÜR A 1447).
Direkt neben dem Appellplatz befindet sich die Küche mit Anbau. Plan der SS-Bauleitung von 1943 (Stadt- und Kreisarchiv Paderborn, Kreisarchiv, BÜR A 1447).

Häftlingsküche und Küchenanbau
Über einem großen durchgehenden Keller wurde ein 14 x 18 Meter messendes, aus Ziegelsteinmauerwerk bestehendes Küchengebäude mit drei großen Kaminen sowie ein zum Appellplatz hin anschließender, etwas niedrigerer Anbau von 26,5 Metern Länge und 8 Metern Breite errichtet. Die beiden Bauteile dienten von der Fertigstellung, vermutlich im Frühjahr/Sommer 1941, bis zur Auflösung des KZ Niederhagen im April/Mai 1943 als Großküche mit entsprechenden Arbeitsräumen. Im Keller wurden nach Aussage von Überlebenden Lebensmittel gelagert. Das Essen wurde, wie in den Konzentrationslagern üblich, in der Küche in großen Kochbottichen gekocht. Die Häftlinge mussten das Essen in großen Behältern in der Küche holen und in die Wohnbaracken bringen, wo es dann ausgegeben und verzehrt wurde.

Die Ernährung der Häftlinge war jedoch keineswegs ausreichend, sondern von Beginn an und mit fortschreitender Zeit von Mangel geprägt. Einige Häftlingsgruppenwurden schlechter versorgt als andere. Die Aussagen überlebender ehemaliger Häftlinge berichten übereinstimmend über den extremen und bis zur Auflösung des Lagers im April/Mai 1943 zunehmenden Nahrungsmangel und Hunger. So berichtete der ehemalige polnische Häftling Zbigniew Jaworski in einem Interview 1987:

„Morgens früh, da bekamen wir ¾ l so genannte Kaffee, das war in Kessel. Ich glaube nicht, ich weiß nicht, wie viel Liter eingegossen, aber das war Wasser. Und das war alles. […] Zu Mittag haben wir Brennnesselsuppe bekommen […], wenn man gefunden hat ein Kartoffel in diese so genannte Suppe, das war ein großes Glück. […] Und zum Abendbrot, da haben wir bekommen 1 Brot für 10 Häftlinge, nicht immer alle Tage der Woche. […] Da gab es 3 oder 2 Tage ohne Brot. Da haben wir nur bekommen Pellkartoffeln und ¼ Liter wieder so genannten Kaffee. Das war alles. Also, in diese Zeiten, das die Häftlinge hatten keine Kräfte.“

Im rekonstruierten Grundrissplan des Bauzustands zeigt sich die Raumstruktur des Küchenanbaus um 1942. Rekonstruktionszeichnung 2019 (Schulz+Drieschner GbR, Berlin).
Im rekonstruierten Grundrissplan des Bauzustands zeigt sich die Raumstruktur des Küchenanbaus um 1942. Rekonstruktionszeichnung 2019 (Schulz+Drieschner GbR, Berlin).

Wozu der Anbau an die Küche diente, ist noch immer nicht geklärt. Er bestand aus einem langen Flur und fünf von diesem abgehenden Räumen. Nur für zwei Räume ist eine Nutzung klar zu belegen: der direkt an die Küche anschließende Raum diente als Essensaus- und Rückgabe sowie als Spülküche. Und am Ende des Flures befand sich eine Toilette. Die Nutzung der übrigen Räume lässt sich bislang nicht rekonstruieren.


Das Gebäude nach der Auflösung des KZ Niederhagen im Frühjahr 1943
Als das KZ Niederhagen im April/Mai 1943 aufgelöst wurde, stand das Häftlingslager zunächst leer. Ein Restkommando von rund 50 Häftlingen wurde bis zum 2. April 1945 in der Werkstattbaracke des Industriehofes untergebracht. Ob für das Restkommando in der Häftlingsküche gekocht wurde, ist bislang ungeklärt.

Im Oktober 1943 wurde ein Umsiedlungslager der Volksdeutschen Mittelstelle in Wewelsburg eingerichtet. Dort wurden so genannte „volksdeutsche“ Familien aus Mittel- und Osteuropa zwangsweise untergebracht und durch die Großküche zentral mit Nahrung versorgt. Das Essen wurde von den Umsiedlern ebenfalls in der Küche abgeholt und in den Unterbringungsräumen eingenommen.

Nach dem Ende des Krieges wurde das Lagergelände zur Unterbringung von ehemaligen Zwangsarbeitern (Displaced Persons) genutzt, bevor diese in ihre Heimatländer zurückreisen konnten. Auch für die Bewohner dieses DP-Lagers wurde in der ehemaligen Häftlingsküche gekocht. Nach dem Abzug der DP’s bezogen 1946/47 für kurze Zeit belgische Soldaten das ehemalige Lagergelände als Kaserne. Auch während dieser Nutzungsphase dürfte die ehemalige Lagerküche zur Versorgung der Soldaten genutzt worden sein.

Die Umnutzung der ehemaligen Küche und des Anbaus im Flüchtlingslager
Erst mit der Nutzung des Lagergeländes als Flüchtlingslager seit 1947 änderte sich die Nutzung des Gebäudekomplexes der ehemaligen Häftlingsküche. Im eigentlichen Küchenbereich waren seit Anfang 1947 Werkräume der Tischlerei Grote untergebracht. Der Besitzer richtete im Anbau drei Wohnungen für Flüchtlingsfamilien ein, die bei ihm arbeiteten. Aus ehemals fünf großen Räumen und einem durchgehenden Flur wurden nun drei separate drei-Raum-Wohnungen mit Toilette erstellt. Die größeren Räume wurden hauptsächlich durch Holzwände unterteilt, die aus abgetragenen benachbarten Lagerbaracken stammten. Diese wurden ab 1948 abgerissen und die Wandmodule nun wieder verwendet.

Zuletzt dienten die drei Wohnungen der Stadt Büren als Schlichtwohnungen. Die letzte Unterkunft war bis 2015 bewohnt.

Der aktuelle Grundriss des Gebäudes mit seiner Aufteilung in drei unabhängige Wohnungen basiert noch immer auf Umbaumaßnahmen der Jahre 1948. Die damals eingebrachten hölzernen Wandmodule befinden sich noch immer an Ort und Stelle.

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Kreismuseum Wewelsburg

Burgwall 19
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Fax 02955 7622-22
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