11.03.2025
Rückblick 17. Wissenschaftliches Symposium
Vor 100 Jahren, am 31. Mai 1925, wurden in der Wewelsburg das „Heimatmuseum des Kreises Büren“ und eine Jugendherberge eröffnet. Bis zum Beginn der nationalsozialistischen Diktatur 1933 bildete die Wewelsburg ein kulturelles Zentrum des Paderborner Landes. Ihre Geschichte in den 1920er und frühen 1930er Jahren war mit der Entwicklung des ersten demokratischen Staatswesens in Deutschland, der Weimarer Republik (1919–1933), verknüpft. Wie haben die Menschen in den umliegenden Dörfern und Städten der damaligen Kreise Büren und Paderborn die Periode zwischen dem Ende des Deutschen Kaiserreichs 1918 und dem Beginn des angeblichen „Dritten Reichs“ 1933 erlebt?
Nach einer pointierten Einführung in die Geschichte der Weimarer Republik durch Prof. Dr. Daniel Siemens (Newcastle University) beleuchteten die weiteren Vorträge schlaglichtartig die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Situation im Paderborner Land in dieser regional bislang wenig erforschten Epoche. Diese Beiträge gaben einen Ausblick auf die Sonderausstellung „Aufbruch in die Moderne? Das Paderborner Land in der Weimarer Republik“, die vom 28. Juni bis zum 14. September 2025 gezeigt werden wird.
Prof. Dr. Daniel Siemens
Enttäuschung in der Weimarer Republik
Die Geschichte der Weimarer Republik ist in kultureller Hinsicht vielfach als Laboratorium der Moderne und politisch als Geschichte des Scheiterns erzählt worden. Dieses Scheitern war auch deshalb so prominent, weil viele Zeitgenossen hohe Erwartungen an die neue Staatsform und Gesellschaftsordnung hatten. Unerfüllte Hoffnungen haben ihre gefühlsmäßige Resonanz im Erlebnis der Enttäuschung. Der Vortrag geht von der Prämisse aus, dass Enttäuschung ein konstitutives Merkmal moderner Gesellschaften ist. Er fragt danach, wie Enttäuschungen in der Weimarer Republik verarbeitet, kommuniziert und handlungsleitend wurden und welche Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede mit Blick auf gegenwärtige Krisensymptome der bundesdeutschen Demokratie bestehen.
Markus Moors
Was hat das Paderborner Land mit der Weimarer Republik zu tun?
In der akademischen Regionalgeschichtsschreibung, die das Paderborner Land in den Blick nimmt, spielt die Zeit der Weimarer Republik bislang so gut wie keine Rolle. Im größeren westfälischen Kontext ist von dieser südostwestfälischen Region allenfalls am Rande die Rede als einem eher noch vormodernen „Reliktgebiet“. In den zahlreichen Veröffentlichungen zur Heimatgeschichte der Städte und Dörfer im heutigen Kreis Paderborn tauchen diese 14 Jahre nicht selten als eine Art Anhang zur vorangegangenen Epoche des Deutschen Kaiserreichs oder als Vorspiel zur darauffolgenden NS-Diktatur auf. Stellte die Weimarer Republik für das Paderborner Land gar keine eigene Epoche dar?
Dr. Kerstin Schulte
Tradition und Wandel. Die Landfrauen in der Weimarer Republik in Westfalen
Die Landfrauen spielten seit jeher eine entscheidende, aber oft übersehene Rolle im ländlichen Leben. Der Vortrag beleuchtet die Bedeutung der Landfrauenbewegung in Westfalen zwischen 1919 und 1933. Im Spannungsfeld zwischen traditionellen Geschlechterrollen, konfessionellen Überzeugungen und den Herausforderungen der Modernisierung trugen Landfrauen nicht nur zur Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion bei, sondern engagierten sich auch in verschiedenen sozialen Bereichen. Auf diese Weise ergibt sich ein facettenreiches Bild einer kaum erforschten Akteurinnengruppe, die wesentlich zur Gestaltung des ländlichen Raumes in der Weimarer Republik beigetragen hat.
Dr. Erik Beck
„Im Frieden erbaut, der Heimat geweiht“
Der Wiederaufbau der Wewelsburg als Kultur- und Identifikationsort in den 1920er Jahren
Zu Beginn der Weimarer Republik lag die Wewelsburg stark vernachlässigt in einem traurigen Dornröschen-Schlaf. Der Bürener Landrat Dr. Alois Vogels, der im Mai 1921 sein Amt antrat, entwickelte schnell Ideen zu ihrer Instandsetzung und Nutzung. Prägend war dabei der Gedanke eines weit über das Kreisgebiet ausstrahlenden Zentrums der Jugend- und Heimatförderung. Im Schloss sollten konfessionsübergreifend junge Menschen zusammenkommen und Unterkunft in einer Jugendherberge finden. Im Rittersaal sollten Konferenzen, Vorträge und kulturelle Veranstaltungen einen Rahmen finden. Und das Kreisheimatmuseum im Untergeschoss des Westflügels sollte den Heimatgedanken stärken. Am 31. Mai 1925 wurde der erste Bauabschnitt, bestehend aus Museum, Kongressaal und provisorischer Jugendherberge, feierlich eröffnet. Diese Form der Nutzung endete mit der Übergabe des Schlosses an die SS 1934.
Friederike Horgan
„Entchristlichung der Jugend aber bedeutet Entchristlichung des Volkes“
Der Richtungsstreit im Bildungssystem der Weimarer Republik an Paderborner Beispielen
Der Konflikt um eine Reform des Schulsystems, der nach der Gründung der Weimarer Republik ausbrach, sorgte auch im Paderborner Land für große Debatten. Der Abschaffung der Konfessionsschulen, Koedukation von Mädchen und Jungen sowie Einschränkung des Religionsunterrichts stellten sich der Paderborner Bischof und viele weitere Geistliche entgegen. Durch Schulstreiks, Sammlungen und Kundgebungen waren die Elternschaft sowie die Schülerinnen und Schüler involviert. Im Paderborner Land setzten sich mit der Heide-Waldschule und dem Kinderdorf Staumühle aber auch zwei Reformschulen durch, die reformpädagogische Ansätze mit Gesundheitsfürsorge und staatsbürgerlicher Erziehung verbanden. Der Vortrag zeigt auf, wie die Diskussionen um eine Reform des Schulsystems im Paderborner Land geführt wurden und welche Neuerungen im Bildungsbereich Eingang in die Region fanden.
Heiner Hansmeier
Jüdisches Leben im Paderborner Land in der Zeit der Weimarer Republik
Juden hatten bis zur Säkularisation 1802/1803 seit Jahrhunderten mehr oder weniger ausgegrenzt und auch verfolgt im Paderborner Land gelebt. Erst die Französische Revolution setzte einen Emanzipationsprozess in Gang, der, immer wieder von Rückschlägen begleitet, in der Weimarer Verfassung von 1919 mit der uneingeschränkten Gleichstellung der Juden in jeder Hinsicht ein vorläufiges Ende fand. Der Vortrag zeigt auf, wie sich auch im Paderborner Raum Mitglieder der jüdischen Gemeinden zunehmend an die nichtjüdische Mehrheit anpassten und sowohl in den dörflichen als auch städtischen Strukturen präsent waren. Sie besetzten politische Ämter, spielten in der Wirtschaft, vor allem im Handel und Gewerbe, eine Rolle und nahmen am Vereinsleben teil. Der Vortrag beleuchtet aber auch den jüdischen „Aufbruch in die Moderne“ in Büren und in Paderborn. In diesem Zusammenhang soll auf die Entwicklung des renommierten jüdischen Warenhauses Grünebaum eingegangen werden. Nichts desto weniger sahen sich die Juden, vor allem im katholischen Milieu des Paderborner Raumes auch in der Weimarer Zeit einem latenten und offensichtlichen Antijudaismus ausgesetzt.
Foto
vordere Reihe v. links: Dr. Erik Beck, Dr. Franz-Josef Winter (Ehrenvorsitzender Förderverein), Friederike Horgan, Kirsten John-Stucke, Dr. Kerstin Schulte, Prof. Daniel Siemens
Hintere Reihe v. links: Wigbert Löper (stellv. Bürgermeister Büren), Markus Moors, Landrat Christoph Rüther, Heiner Hansmeier
Kreismuseum Wewelsburg
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