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Die letzten Tage der SS-Burgmannschaft in Wewelsburg

Markus Moors

Nachdem die SS seit 1934 dem Leben in Wewelsburg ihren Gewalt bereitenden Stempel aufgedrückt hatte, verschwand sie Ende März 1945 innerhalb eines Wochenendes aus dem Dorf. Wie sich die Ereignisse zwischen Karfreitag, dem 30. März, und Ostermontag, dem 2. April 1945, genau abgespielt haben, ist anhand der vorhandenen Aussagen von Zeitzeugen nicht widerspruchsfrei zu klären. Schon dieFragen, wieviele SS-Mitglieder während und am Ende des Zweiten Weltkriegs in der sogenannten
„SS-Schule Haus Wewelsburg“ tätig waren und wie sie hießen, lassen sich kaum beantworten. Ähnliches gilt für die SS-Männer, die seit 1943 die verbliebenen Häftlinge des aufgelösten KZ Niederhagen bewachten.

Die SS-Burgmannschaft der Vorkriegszeit hatte Wewelsburg entweder bis 1939 bereits verlassen oder war zu großen Teilen nach Kriegsbeginn zum Militärdienst in der Waffen-SS oder der Wehrmacht eingezogen worden. Vom ursprünglichen Schulungspersonal blieb lediglich der mit dem Aufbau eines hausinternen Museums beauftragte Archäologe Wilhelm Jordan noch bis Februar 1942 in Wewelsburg. Seine Familie zog wie die Angehörigen des Volkskundlers Dr. Bernhard Frank in je eines der sieben eigens für die SS zwischen 1940 und 1942 errichteten Häusern der Wewelsburger „Waldsiedlung“. Die ohne erkennbares umfassenderes Konzept betriebenen Regionalforschungen der SS-Schule waren schon im letzten „Friedens“-jahr zum Erliegen gekommen. Eine offenbar beabsichtigte Verwissenschaftlichung und inhaltliche Neuorientierung auf Bereiche der expansionistisch zweckgebundenen Osteuropaforschung (mit Frank als einer Art örtlichem Koordinator) kam nicht zustande, weil die dafür vorgesehenen promovierten Akademiker ihren SS-Dienst in Wewelsburg zum 1. September 1939 nicht mehr antreten konnten. Die in der Wewelsburg vergleichsweise intensiv betriebene Ahnenforschung (vor allem für Heinrich Himmler) scheint von dem Sachbearbeiter Rudi Bergmann noch eine Weile ambulant von seinen jeweiligen Militärstandorten aus betrieben worden zu sein. Ansonsten beschränkte sich der Dienstbetrieb der „SS-Schule Haus Wewelsburg“ während des Krieges offensichtlich darauf, die „Burg“ für die gelegentlichen Besuche Heinrich Himmlers und anderer hochrangiger SS-Führer instand zu halten. Die (innen)architektonische Ausgestaltung der Wewelsburg zum ideologisch aufgeladenen Versammlungs-und Rückzugsort für die SS-Gruppenführer insgesamt oblag der örtlichen SS-Bauleitung unter der Führung von Hermann Bartels, der im Sommer 1942 zum SS-Standartenführer ehrenhalber befördert wurde. Bartels und sein Mitarbeiterstab unterstanden nicht dem Wewelsburger Burghauptmann Siegfried Taubert, der seinerseits bis 1943 in den Rang eines SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS  aufstieg. Zumindest teilweise rekrutierten sich die Angehörigen der SS-Burgmannschaft im Laufe des Krieges aus Soldaten der Waffen-SS, die aufgrund von Verwundungen oder Erkrankungen nicht mehr als kriegsverwendungsfähig galten.

Mögliche Erschießungsbefehle
Nach Aussage des letzten Adjutanten Tauberts (seit Januar 1945), des kriegsversehrten, damals 23 Jahre alten Obersturmführers der Waffen-SS, Gottlieb Bernhardt, erhielt der Wewelsburger Burghauptmann Mitte März 1945 Besuch von einem SS-Hauptsturmführer im Sicherheitsdienst (SD) aus Berlin. Nach einem Vier-Augen-Gespräch der Beiden hätten Häftlinge des KZ-Restkommandos damit beginnen müssen, Teppiche und Kunstgegenstände unter einer freitragenden Treppe im Wachgebäude aufzustapeln und einzumauern. Als möglicher Ort für eine solche Aktion wird seither in der Regel der „Turn- und Fechtsaal“ im untersten Geschoß in Betracht gezogen. Am Karsamstag, den 31. März, sei er, Bernhardt, durch Explosionsgeräusche in der Wewelsburg auf den Burgvorplatz gelockt worden, wo er auf den Führer des KZ-Wachkommandos, SS-Rottenführer Johann Skupy, getroffen sei (Bernhardt wohnte mit seiner Frau und seiner Tochter auf dem Hof des auf Vermittlung der SS nach Schlesien abgewanderten Bauern Josef Kloppenburg). Skupy habe ihm ein von Taubert unterzeichnetes Papier gezeigt, auf dem die Namen der Häftlinge gestanden hätten, die an der Einmauerung beteiligt gewesen seien, verbunden mit der Aufforderung, diese beim Herannahen der Amerikaner zu erschießen. Der Rottenführer sei ratlos gewesen, da Taubert keine Befehlsgewalt über ihn hatte. Bernhardt nahm für sich in Anspruch, Skupy überredet zu haben, den Befehl nicht auszuführen und mit den anderen Wachmännern das Weite zu suchen. Angesichts von Himmlers Geheimhaltungsmanie hinsichtlich der Wewelsburg erscheint es als durchaus möglich, dass der Chef der SS die Häftlinge, die in gewisser Weise zu internen Mitwissern des Geschehens innerhalb der Schlossmauern geworden waren, vor dem Eintreffen der Amerikaner beseitigen lassen wollte. Ebenso könnte es so gewesen sein, dass Taubert vor dem Hintergrund seines langjährigen Wissens um Himmlers diesbezügliche Einstellung auf eigene Faust eine Todesliste erstellt hat. Der 64jährige Obergruppenführer, unter Seinesgleichen in der SS mit dem harmlos klingenden Spitznamen „Opi“ versehen, war seit 1933 in höheren Verwaltungspositionen innerhalb der Gewaltorganisation tätig. Als kurzzeitiger „Inspekteur der SS-Totenkopfstandarten“ (1939/40) sowie als Beisitzer beim „Volksgerichtshof“ war er auch unmittelbar am nationalsozialistischen Terror beteiligt gewesen. Ganz allgemein hatte die sich abzeichnende totale Niederlage im Krieg die mörderische Gewaltbereitschaft in der SS nur noch weiter erhöht. Auch Wewelsburg war noch im März 1945 zum Tatort der Erschießung von circa 15 osteuropäischen Zwangsarbeitern geworden. Sie waren von Paderborn aus zum Schießstand der SS hinter dem KZ-Gelände in Niederhagen verschleppt und dort von Angehörigen der Waffen-SS ermordet worden. Ein anderer damaliger Angehöriger der Wewelsburger Burgmannschaft (seit 1941), der krankheitshalber für wehrdienstuntauglich erklärte Jurastudent und
SS-Oberscharführer Hans Heinrich Kappert (Jahrgang 1920), gab bei seiner polizeilichen Vernehmung im Jahr 1970 an, er habe „auf ausdrücklichen Befehl von Taubert mitschießen“ müssen. Gleichzeitig erklärte der frühere Schreiber der „SS-Schule Haus Wewelsburg“, er habe im Winter 1944/45 einen polnischen Staatsangehörigen erschossen, der wegen einer angeblichen Mordtat in den Gefängnisbunker auf dem Niederhagener Lagergelände überstellt worden sei. Bevor er die – ihm wiederum von Taubert aufgetragene – Exekution habe durchführen können, glaubte Kappert einen vermeintlichen Flucht-versuch des Polen durch die Abgabe einer tödlichen Salve aus seiner Maschinenpistole vereiteln zu müssen. Bereits ein Jahr vor Kappert hatte Tauberts früherer Adjutant Bernhardt bei seiner Vernehmung zu Protokoll gegeben, dass er bei diesem Vorfall anwesend gewesen sei. Inwieweit Angehörige des
SS-Wachkommandos im Lager Niederhagen etwa an der Ermordung der Zwangsarbeiter im Schießstand beteiligt gewesen sind, ist ungeklärt. Jedenfalls kam seit der Auflösung des Hauptlagers Niederhagen im April 1943 kein Häftling des seitherigen Außenkommandos des KZ Buchenwald in Wewelsburg mehr zu Tode. Bis dahin waren (ehemalige) Angehörige der SS-Burgmannschaft persönlich ausschließlich außerhalb von Wewelsburg an den Mordaktionen der SS beteiligt gewesen. So gehörten Bernhard Frank und Rudi Bergmann im Sommer 1941 dem „Kommandostab Reichsführer SS“ an, dessen SS-Brigaden in den ersten Monaten des Überfalls auf die Sowjetunion im Rücken der Front Tausende Juden und vermutete Bolschewisten erschossen. In der Endphase des „Dritten Reichs“ ging aber dann in Wewelsburg selbst von den Vertretern der scheinbar gewaltferneren SS-Institution im Schloss eine offensichtlich mindestens ebenso große mörderische Gefahr aus wie von den Schergen des KZ-Systems vor Ort.

Gottlieb Bernhardts Bericht über sein Zusammentreffen mit dem Wachkommandanten Johann Skupy unterstützt die Erzählung des Wewelsburger Fuhrunternehmers und späteren Bürgermeisters Johannes Wieseler über ein beinahe zeitgleiches Ereignis: Aufgrund eines Feueralarms sei er als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr am Karsamstagnachmittag mit seinem LKW in Richtung Schloss gefahren, als plötzlich ein SS-Mann mit einer Pistole in der Hand auf das Trittbrett auf der Fahrerseite gesprungen sei. Dieser habe ihn aufgefordert, die Häftlinge des Restkommandos zu holen. Durch das scharfe Heranfahren an eine Mauer habe Wieseler den SS-Mann jedoch gezwungen, abzuspringen. Daraufhin sei er mit seinem LKW in ein Waldstück gefahren und habe sich dort bis auf Weiteres verborgen. Die Geschichte deutet darauf hin, dass die Häftlinge verschleppt werden sollten. Es muss dahingestellt bleiben, ob sie an einen Exekutionsort gebracht werden sollten oder ob man sie auf einen der vielen Todesmärsche schicken wollte, auf denen die SS in den letzten Monaten und Wochen des Krieges Tausende von KZ-Häftlingen aus den frontnahen Lagern durch das immer kleiner werdende nationalsozialistische Herrschaftsterritorium trieb, wobei unzählige Opfer zu Tode kamen.

Flucht des Burghauptmanns Taubert
Am Karsamstag des Jahres 1945 befand sich der Burghauptmann Siegfried Taubert schon nicht mehr in Wewelsburg. Der Architekt Anton Knickenberg (seit 1940 Mitarbeiter in der Wewelsburger SS-Bauleitung und 1945 wohnhaft in der Waldsiedlung) berichtete, dass Taubert am Vormittag des Karfreitags, 30. März 1945, die Angehörigen von Burgmannschaft und Bauleitung sowie deren Familien aufgerufen habe, sich im Stabsgebäude zu sammeln, um sich dann gemeinsam „in den persönlichen Schutz des Reichsführers nach Mitteldeutschland“ zu begeben. Durch Panzer- und Luftalarme verzögert, habe der Aufbruch erst am späten Nachmittag stattgefunden. Die Nacht von Karfreitag auf Karsamstag verbrachte die Kolonne in Paderborn. Beim dortigen Kampfkommandanten traf Taubert gegen Mittag des 31. März auf den
SS-Hauptsturmführer Heinz Macher. Der hatte tags zuvor im uckermärkischen Prenzlau von Himmler persönlich den Befehl erhalten, sich mit einem kleinen Kommando nach Wewelsburg durchzuschlagen und das Schloss dem Erdboden gleich zu machen. Macher sagte später aus, Taubert habe auf diese Information hin fassungslos gesagt: „Sie wollen meine Burg sprengen? Das dürfen Sie nicht tun.“ Selbst wenn dies tatsächlich Tauberts spontane Reaktion gewesen ist, würde das die Möglichkeit nicht ausschließen, dass er aus Geheimhaltungsgründen einen Mordbefehl gegen die Häftlinge erteilt haben könnte. Ob der anwesende Knickenberg seine angeblichen Bedenken gegen eine Sprengung der Wewelsburg geäußert oder nur gedacht hat, ist nicht zu klären, jedenfalls gab er Machers Antwort in denselben Worten wieder wie Himmlers Beauftragter selbst: „Befehl ist Befehl.“ Gemeinsam mit dem Sprengkommando fuhr Knickenberg mit Tauberts Erlaubnis nach Wewelsburg zurück, wo seine Frau und seine Kinder verabredungsgemäß geblieben waren. Gottlieb Bernhardt will von dem Aufbruchsbefehl seines Vorgesetzten Taubert am Karfreitag nichts mitbekommen haben. Bernhard Frank, seit Juli 1943 Kommandant der Waffen-SS auf dem Obersalzberg, hatte mit seiner Frau verabredet, dass sie und ihre drei Söhne auch im Falle eines Einmarsches der Allliierten in Wewelsburg im Dorf bleiben sollten. Aus ihrer vom Bombenkrieg schwer betroffenen Heimatstadt Frankfurt am Main waren zudem Franks Schwiegermutter, seine Schwägerin und sein Neffe (der spätere „Tatort“-Kommissar Jochen Senf) in das Haus in der Waldsiedlung eingezogen.

Sprengung der Wewelsburg
In Wewelsburg angekommen, stellte Macher fest, dass er zu wenig Sprengstoff dabeihatte, um das ihm bis dahin völlig unbekannte Schloss vollständig zu zerstören. Er konzentrierte die Ladungen deshalb auf die beiden südlichen Ecktürme, das Wach- und das Stabsgebäude. Zuvor schickte Macher seine Männer durch das Schloss, um in vielen Räumen Gardinen und andere brennbare Stoffe zu entzünden. Wahrscheinlich rettete das unfertige, stumpfartige Aussehen des halb abgerissenen Nordturms den darin befindlichen „Obergruppenführersaal“ im Erdgeschoss und die „Gruft“ im Kellergewölbe vor der Zerstörung. Zum Schutz des Dorfes will Macher vor der Auslösung der Sprengungen die Wewelsburger Feuerwehr herbeigerufen haben. Er verbot ihr aber strikt, die Feuer in den drei SS-Gebäuden zu löschen. Auch der katholische Pfarrer des Dorfes, Franz-Josef Tusch, reklamierte für sich, durch das Läuten der Feuerglocke die örtlichen Brandschützer vorsorglich zur Wewelsburg gerufen zu haben. Die Pfarrkirche
St. Jodokus war seit 1939 im Besitz der SS, konnte aber trotzdem für die katholischen Gottesdienste benutzt werden. Sie ist das Gebäude, das den Explosionsorten am nächsten stand. Bis auf stärkere Beschädigungen am Dach des Langschiffs und des Turmes sowie zahlreiche zerstörte Fenster blieb das Gotteshaus in seiner Substanz ohne Beeinträchtigungen. Unmittelbar am stärksten getroffen wurde das Stabsgebäude, das in der Folge vollständig abgerissen wurde. Im näher zum Schloss hin gelegenen Wachgebäude konnte schon 1946 ein katholisches Waisenheim für Jungen eingerichtet werden.

Nach der Flucht Tauberts und vieler anderer SS-Männer am Karfreitag hatten zahlreiche Wewelsburger weiße Tücher aus den Fenstern gehängt, um den anrückenden US-amerikanischen Truppen die Bereitschaft zur kampflosen Übergabe des Dorfes zu signalisieren. 1995 betonte Macher, dass die Befehle für diesen Fall eindeutig vorsahen, die Bewohner der beflaggten Häuser, den Bürgermeister und den Ortsgruppenleiter zu erschießen. Er habe dies jedoch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Macher war 1937 mit knapp 18 Jahren in die SS-Verfügungstruppe, einem Vorläufer der Waffen-SS, eingetreten. 1951 wurde er von einem französischen Militärtribunal in Bordeaux in Abwesenheit zum Tode verurteilt, weil er am 30. April 1944 mit seiner damaligen Einheit der 2. SS-Panzer-Division „Das Reich“ ein angeblich von Partisanen besetzten Hauses im südfranzösischen Aussonne gesprengt hatte, in dem die Kinder René und Marie Peloso zu Tode kamen. Eine mögliche Erklärung dafür, dass Macher und seine Männer keine Repressalien gegenüber den kapitulationswilligen Bewohnern von Wewelsburg ausgeübt haben, könnte schlicht in dem Umstand bestanden haben, dass ihnen angesichts der herannahenden US-Amerikaner die Zeit dazu fehlte.

Flucht der restlichen SS-Männer vor den US-amerikanischen Truppen
Schließlich war Macher nach eigener Aussage auch noch darin involviert, die letzten in Wewelsburg befindlichen SS-Männer und Bediensteten mit ihren Familien zu evakuieren. Laut Gottlieb Bernhardt stiegen die Fluchtwilligen in den Mannschaftsbus der „SS-Schule Haus Wewelsburg“, darunter seine Familie und der Architekt Knickenberg, nicht jedoch die Frau des Letzteren, die nach dessen Bekunden ebenso in Wewelsburg blieb wie die Großfamilie von Bernhard Frank und manche andere. Auch Macher sprach davon, dass die Flucht mit einem Bus durchgeführt wurde. Beim Anlassen des Motors sei jedoch, wie Bernhardt weiter ausführte, die Ölwanne des Fahrzeugs kaputtgegangen. Daraufhin habe man den Feuerwehrwagen der Burg-SS vor den Bus gespannt. Mit diesem Fuhrwerk sei man dann nach Paderborn gefahren und habe dort Taubert und die übrigen dort befindlichen Wewelsburger SS-Angehörigen aufgelesen. Dann sei es weiter zum vorgesehenen Fluchtpunkt, einer SS-Dienststelle im thüringischen Bad Frankenhausen am Kyffhäuser, gegangen. (Auf heutigen Landstraßen ergibt sich daraus eine Gesamtstrecke von etwa 230 km.) Heinz Macher machte sich von Paderborn aus auf den Rückweg zur Feldkommandostelle Heinrich Himmlers in der Nähe von Stettin (etwa 500 km entfernt), wo er am Nachmittag des Ostersonntags angekommen sei. Dort will er dem SS-Chef mitgeteilt haben, dass der Versuch, die Wewelsburg zu sprengen, der sinnloseste Auftrag gewesen sei, der ihm erteilt worden sei. Johannes Wieseler glaubte übrigens – vermutlich fälschlicherweise –, dass der SS-Mann, der ihn zwingen wollte, mit seinem LKW die Häftlinge aus dem Lager zu holen, zu Machers Sprengkommando gehört habe und nicht zum örtlichen Wachkommando. Er hielt sich solange versteckt, bis die SS-Männer Wewelsburg endgültig verlassen hatten.

Hans Heinrich Kappert, der mehrfache mutmaßliche Todesschütze aus den Reihen der SS-Burgmannschaft, will Wewelsburg gemeinsam mit dem Chef der SS-Bauleitung, Hermann Bartels, bereits verlassen haben, bevor sein Vorgesetzter Taubert den Befehl zur allgemeinen Flucht erteilt habe. Seine schwangere Frau und sein erstes Kind seien in Wewelsburg geblieben. Als Kappert und Bartels in Bad Frankenhausen angekommen seien, sei der bisherige Burghauptmann schon in Richtung Flensburg weiter gefahren (Bernhardt nannte im Jahr 2007 das bei hohen SS-Führern beliebte Sanatorium Hohenlychen bei Berlin als Tauberts Zielort). Jedoch habe ein anwesender Stabsführer des SS-Haupt-amtes Persönlicher Stab Reichsführer SS den Beiden im Auftrag Tauberts wegen ihrer vorzeitigen, unerlaubten Abfahrt ein Kriegsgerichtsverfahren angedroht. Dazu sei es aber aufgrund des Vormarsches der US-amerikanischen Truppen nicht mehr gekommen.


Plünderung der Wewelsburg
In Wewelsburg kamen am späten Karsamstagnachmittag nach der Flucht der SS immer mehr Menschen vor dem Schloss zusammen: Männer und Frauen aus Wewelsburg und den benachbarten Dörfern sowie Insassen des Umsiedlungslagers, das die SS-Institution „Volksdeutsche Mittelstelle“ (Vomi) seit 1943 auf dem Gelände des vormaligen Konzentrationslagers Niederhagen betrieben hatte. Gemeinsam drangen sie in das noch brennende Gebäude ein, das der Öffentlichkeit seit zehn Jahren versperrt gewesen war. Bis zum Morgen des Ostersonntags sollen laut Wewelsburger Gemeindechronik die Plünderungen angedauert haben. Danach ging die Wewelsburg ein zweites Mal in Flammen auf und brannte nun völlig aus. Vermutlich sind viele der damals mitgenommenen Einrichtungsgegenstände des geplanten exklusiven Versammlungsortes der SS-Gruppenführer auch heute noch existent.

2. April 1945 – Eintreffen der US-amerikanischen Truppen in Wewelsburg
Am Ostermontag, den 2. April 1945 trafen US-amerikanische Truppen im Industriehof des Niederhagener Lagergeländes auf die 42 Häftlinge des KZ-Restkommandos, von denen 40 zur Inhaftiertengruppe der Zeugen Jehovas gehörten. Damit war das endgültige Ende der SS-Präsenz in Wewelsburg gekommen. Zu welchem Zeitpunkt sich die Wachleute aus den Reihen der SS aus Wewelsburg entfernt haben, konnte allerdings bislang nicht geklärt werden. Zu Festnahmen durch die US-Amerikaner kam es offenbar nicht.

Auf die weiteren Lebenswege der angesprochenen SS-Männer einzugehen, ist an dieser Stelle nicht der Ort. Anscheinend ist niemand von ihnen effektiv juristisch belangt worden, auch Heinz Macher und Hans Heinrich Kappert nicht. Eine Kuriosität stellt sicherlich die Tatsache dar, dass sich der letzte Adjutant des Burghauptmanns der „SS-Schule Haus Wewelsburg“, Gottlieb Bernhardt, und dessen Frau bald nach Kriegsende als Zeugen Jehovas taufen ließen. Ihren eigenen Aussagen zufolge rührte dieser Entschluss nicht zuletzt von den Begegnungen her, die der SS-Obersturmführer Bernhardt während seiner Zeit in Wewelsburg mit den Angehörigen dieser dort zahlreich vertretenen Gruppe von Opfern des Nationalsozialismus und der SS hatte.

Die gesprengte Wewelsburg von Norden, Kreismuseum Wewelsburg, Fotoarchiv
Die gesprengte Wewelsburg von Norden, Kreismuseum Wewelsburg, Fotoarchiv
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