Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)

Ort der Opfer und der Täter

19.04.2010

Ort der Opfer und der Täter

Ideologie und Terror der SS: Neue Dauerausstellung mit viel Prominenz eröffnet.

Hoch über dem Almetal auf einem Bergsporn im Ortsteil Wewelsburg im Kreis Paderborn erhebt sich Deutschlands einzige Dreiecksburg, die Wewelsburg. Ihre trutzigen Mauern atmen eine wechselvolle Geschichte. Eines ihrer dunkelsten Kapitel wurde in diesen Tagen neu aufgelegt. In Anwesenheit von 350 geladenen Gästen und viel Prominenz, darunter Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, wurde in der Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg die neue Dauerausstellung „Ideologie und Terror der SS“ eröffnet. Die weltweit einzige museale Gesamtdarstellung der Schutzstaffel (SS) wird in den eigens hierfür umgebauten Räumlichkeiten des ehemaligen Wachgebäudes auf dem Schlossgelände gezeigt. Zugleich wird hier der Opfer des menschenverachtenden und mörderischen Regimes gedacht.
Die Verantwortung, nicht zu vergessen

Der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, hatte die Wewelsburg mit dem Ziel gepachtet, sie zu einem Führungszentrum seiner Organisation umzubauen. Die Pläne waren gigantisch. In letzter Konsequenz hätte das Dorf Wewelsburg weichen müssen. Um genug Arbeitskräfte für den Ausbau zu bekommen, wurde in unmittelbarer Nachbarschaft das KZ Niederhagen errichtet. 1285 Häftlinge starben an den qualvollen Arbeits- und Lagerbebedingungen.

Wie fühlt es sich an, verschleppt, verachtet und tagtäglich roher Gewalt ausgesetzt zu sein? Was geht in den Köpfen und Herzen jener vor, die diese Gräueltaten verübten? Die Ausstellung versucht auf all das Antworten zu finden. Es ist ein Täterort, der gleichzeitig ein Opferort ist. Durch sämtliche Ansprachen am Eröffnungstag zog sich wie ein roter Faden die Aufforderung, gegen das Vergessen zu arbeiten. „Jene, die gelitten haben, werden auch in Zukunft zu uns sprechen und dauerhaft die authentische Erinnerung bewahren“, erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann im Rahmen der Eröffnung. Neumann würdigte besonders die anwesenden Überlebenden des Konzentrationslagers. Er sprach von „einem Zeichen der Versöhnung“. Auch der Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW, Armin Laschet, stellte heraus, dass man an einem Ort, an dem „das Leiden und Sterben gleich nebenan“ statt gefunden habe, die Chance zur Erinnerung nutzen könne, die immer zukunftsgerichtet sein und vor allem auch die jüngere Menschen erreichen müsse. Landrat Manfred Müller betonte, dass der Kreis Paderborn sich dieser Verantwortung stelle. Er hob hervor, dass die Akteure der NSDAP und der SS nicht etwa schlicht „krank“ gewesen wären, wie vielfach zu hören sei. Denn dann wären sie nicht verantwortlich, nicht schuldfähig. „Der Mensch ist zum Bösen fähig. Und durch Ideologie erreicht dieses Böse eine Institutionalisierung, eine Verbreitung, die dieses Böse potenzieren kann. Die SS war die extreme Ausprägung dieser Ideologie. Umso wichtiger ist die Funktion dieser Ausstellung, diesen Mechanismus aufzudecken, transparent zu machen und zur Wachsamkeit aufzurufen“, so Müller. Genau diesen Aspekt griff Professor Dr. Harald Welzer vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen am Nachmittag in seinem Vortrag auf. Niemand dürfe sich der Illusion hingeben, die Täter seien allesamt Psychopathen gewesen. „Zu 95 Prozent waren diese Menschen so normal wie Sie und ich“, so Welzer. Der Mensch verändere sich durch sein Handeln. Er sprach von einem „formatierten Wertewandel“, der in erschreckend kurzer Zeit statt gefunden habe. Welzer skizzierte die Entwicklung einer Ausgrenzungsgesellschaft, in der sich das Böse etablieren konnte, weil es gängige Praxis wurde. Er sprach von der „Chance, ungestraft das Unmenschliche tun zu dürfen“.
KZ-Überlebende zur Eröffnungsfeier angereist

Ziel der Ausstellungsmacher um Museumsleiter Wulff E. Brebeck und seine Stellvertreterin Kirsten John-Stucke ist es, alle weltanschaulich-ideologischen und verbrecherischen Facetten der SS auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes zu präsentieren. Ihnen ist bewusst, dass gerade durch die Präsentation von Originalen wie Heinrich Himmlers Tagebuch oder Uniformen und Schriften der SS auch die rechtsradikale Szene angezogen werden könnte. Genau deshalb setze man auf Offenheit und Transparenz, um diesem Kapitel „den Zauber des Geheimnisvollen zu nehmen“, erklärte John-Stucke, die nach den Ansprachen die geladenen Gäste durch die Ausstellung führte. Einer der eindringlichsten Momente war die Begegnung mit den Überlebenden Leopold Engleitner aus Österreich, Jurij Zavadskij aus der Ukraine sowie Wladimir Perfilow aus Russland, die eigens zur Eröffnung angereist waren. Sowohl Kulturstaatsminister Neumann als auch Charlotte Knobloch nahmen sich viel Zeit, hörten zu und stellten behutsam ihre Fragen. Sichtlich bewegt schilderten die ehemaligen KZ-Häftlinge ihre Erlebnisse an einem Ort, der ihnen so viel Leid zugefügt hatte. Sie alle waren beseelt von der Hoffnung, zu überleben. Sie alle kamen jetzt zurück, um mit ihrem Besuch ein Zeichen der Versöhnung zu setzen.
Die Organisatorin des Veranstaltungstages, Museumsreferentin Karin Stelte, bewies auch viel Fingerspitzengefühl bei der Ausrichtung der öffentlichen Gedenkstunde am Mahnmal auf dem Gelände des ehemaligen KZ Niederhagen. Trotz des strahlenden Frühlingswetters machte sich eine bedrückende Stille breit, als die Besucher aufgefordert wurden, 1285 Rosen niederzulegen. Für jedes Opfer eine.

Die neue Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“ fordert den Besucher. Sie geht unter die Haut. „Wir standen manchmal die Nacht auf dem Appellplatz bei 20, 22 Grad Kälte, nichts darunter, nur diese Klamotten. Der Wind pfeift dadurch. Das war ungefähr wie eine Schafherde. Jeder wollte in die Mitte rein“. Das ist eines der vielen überlieferten Zitate von KZ-Häftlingen, die an den Wänden nachzulesen sind. Der Besucher kann selbst entscheiden, wie viel er verkraften möchte. Rund 1000 Exponate in Vitrinen und Schubladen mit vielen Originaldokumenten erwarten ihn. Darunter der Taschenkalender von Heinrich Himmler und KZ-Jacken. Vorbei an einem 1941 von Häftlingen gebauten Weinkeller werden die Besucher künftig in den Schlossgraben geführt. Von dort aus geht es direkt in die SS-Räume "Gruft" und "Obergruppenführersaal". Spätestens an diesen Orten wird der Atem der Geschichte spürbar. Hörstationen geben die Zeitzeugenberichte und –aussagen der Überlebenden und der Dorfbewohner zu bestimmten Ereignissen und Themen wieder.

Im Eröffnungsjahr werden im Rahmen einer Vortragsreihe namhafte Referenten die Themen der Ausstellung vorstellen. Neben den "Ausstellungsmachern" der Gedenkstätte werden unter anderem akademische Größen wie Peter Longerich oder Ulrich Herbert, aber auch die Großnichte von Heinrich Himmler erwartet .

Übergang 4

Anschrift

Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19
33142 Büren-Wewelsburg
Deutschland

Kontakt

Tel. 02955 7622-0
Fax 02955 7622-22
nfwwlsbrgd
Kontaktformular

Datenschutzhinweis

Unsere Webseite nutzt externe Komponenten (Youtube-Videos, OpenStreetMaps). Diese helfen uns unser Angebot stetig zu verbessern und Ihnen einen komfortablen Besuch zu ermöglichen. Durch das Laden externer Komponenten, können Daten über Ihr Verhalten von Dritten gesammelt werden, weshalb wir Ihre Zustimmung benötigen. Ohne Ihre Erlaubnis, kann es zu Einschränkungen bei Inhalt und Bedienung kommen. Detaillierte Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.