Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)

Demokratische Erinnerungsarbeit an Stätten nationalsozialistischer Selbstdarstellung

Demokratische Erinnerungsarbeit an Stätten nationalsozialistischer Selbstdarstellung

Die Referentinnen und Referenten des 16. Wewelsburger Wissenschaftlichen Symposium kamen aus weit entfernten Regionen Deutschlands:

Katja Lucke, Leiterin des „Dokumentationszentrums Prora“ auf Rügen, Dr. Sven Keller, Leiter der „Dokumentation Obersalzberg“ bei Berchtesgaden, Marc Meyer, Mitarbeiter der „NS-Dokumentation Vogelsang“ in der Eifel, Andreas Stelzl, Mitarbeiter des „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“ in Nürnberg, Dr. Rainer Stommer, Leiter der „Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e. V.“ in Mecklenburg-Vorpommern und Bernhard Gelderblom, Initiator des „Dokumentations- und Lernort Bückeberg“ bei Hameln.

Die von ihnen vorgestellten historisch-politischen Bildungseinrichtungen sind an Plätzen entstanden, die während der nationalsozialistischen Diktatur der ideologischen Selbstvergewisserung der Machthaber, der Indoktrination der Funktionsträger und der weltanschaulichen Vereinnahmung der einfachen „Volkgenossinnen“ und „Volksgenossen“ dienen sollten. Anders als in den Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer ehemaliger Konzentrationslager oder anderer NS-Verfolgungs- und Mordstätten ist der grundlegende gewaltsame, menschenverachtende Charakter des Nationalsozialismus an diesen Orten häufig nicht unmittelbar ersichtlich. Im Rahmen einer demokratischen Aufklärungsarbeit geht es daher darum zu zeigen, wie die ästhetische Idylle oder die architektonische Anziehungs- und Überwältigungskraft der jeweiligen Gebäude- und Landschaftsensembles mit dem unausweichlichem NS-Terror verknüpft waren. „Die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933 – 1945. Ideologie und Terror der SS“ ist in diesem Zusammenhang quasi eine Mischform, da an diesem Ort sowohl der „schöne Schein des Nationalsozialismus“ (Peter Reichel) als auch der Terror offen zu Tage trat. In der öffentlichen Wahrnehmung des historischen Ortes Wewelsburg steht nicht selten Heinrich Himmlers Absicht im Vordergrund, das gleichnamige Schloss zu einem exklusiven Versammlungsort für die Generale der SS auszubauen. Um die dafür notwendigen Arbeitskräfte zu haben, wurde ab 1939 am Ortsrand von Wewelsburg ein Konzentrationslager errichtet. 1.300 Menschen wurden hier bis 1945 von der SS zu Tode gebracht.

In dem unvollendeten, mehrere Kilometer langen Gebäudekomplex entlang der Ostseeküste in Prora sollten jährlich Hunderttausende „Volksgenossen“ unter der Obhut der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) ihren Urlaub verbringen. Auch in ihrer Freizeit sollten sie dem quasi-militärisch organisierten, lagerartigen Gesellschaftsmodell des Nationalsozialismus unterworfen sein und (in Prora geradezu buchstäblich) „auf Linie“ gebracht werden.

Der Obersalzberg diente Hitler seit der 1920er Jahren als Urlaubsort, aus dem ab 1933 die einheimischen Bewohner vertrieben wurden. Gleichzeitig strömten in den Jahren vor dem Krieg Tausende „Volksgenossen“ zum Obersalzberg und wurden so Teil der nationalsozialistischen Propagandainszenierung, die die angebliche Volksnähe des „Führers“ beweisen sollte. Bis zum Juli 1944 verbrachte Hitler über ein Viertel seiner Amtszeit in dem oberbayerischen Bergdorf, das neben Berlin zu einer zentralen Schaltstelle der Macht im NS-Staat ausgebaut wurde, in der wichtige Entscheidungen über Verfolgung, Krieg und Massenmord getroffen wurden.

In der ab 1933 errichteten NS-„Ordensburg“ Vogelsang wurden zwischen 1936 und 1939 etwa 2.000 Männer als zukünftiges Führungspersonal der NSDAP ausgebildet. Viele dieser Männer wurden während des Krieges zu Exekutoren der auf Unterdrückung und Auslöschung der jüdischen und slawischen Bevölkerung ausgerichteten NS-Politik in den von Deutschland besetzten Gebieten Osteuropas. Vogelsang ist neben Prora und nach dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg eine der größten architektonischen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus.

Die jährlichen Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg zwischen 1933 und 1938 waren wohl die wichtigsten regelmäßig stattfindenden Propagandaschauen der nationalsozialistischen Machthaber. Die maßgeblich von Albert Speer entworfene Architektur war ganz auf riesige Massenaufmärsche und -versammlungen militärisch geordneter Parteiformationen ausgerichtet, die dem „Führer“ Adolf Hitler huldigten. 1935 wurden dabei die „Nürnberger Rassengesetze“ verkündet, die einen wichtigen Schritt in der Ausgrenzung der deutsch-jüdischen Bevölkerung auf dem Weg zu ihrer späteren Ermordung darstellten.

In dem mecklenburgischen Dorf Alt-Rehse wurden von 1934 bis 1941 60 Fachwerkhäuser im Stil der Heimatschutzarchitektur errichtet. Sie bildeten die „Blut und Boden“-Kulisse für die nationalsozialistische „Führerschule der Deutschen Ärzteschaft“. 10.000 bis 12.000 Ärzte, Apotheker, Hebammen und Beschäftige in anderen Gesundheitsberufen wurden bis 1941 in Alt-Rehse weltanschaulich geschult und dabei nicht zuletzt auf ihre mörderische Tätigkeit in der NS-Euthanasiepolitik vorbereitet.

Am Hang des Bückebergs in Emmerthal bei Hameln versammelten sich zwischen 1933 und 1937 jährlich Hunderttausende Menschen aus ganz Deutschland zum „Reichserntedankfest“, das damit eine der größten Massenveranstaltungen des Nationalsozialismus waren. Im Unterschied zu den Nürnberger Reichsparteitagen sind die Bückeberger Reichserntedankfeste lange Zeit fast in Vergessenheit geraten, obwohl einige der bekanntesten ikonischen Fotos zur Illustration der NS-Volksgemeinschaftsideologie dort entstanden. Der Verweis auf das bäuerliche Erntedankfest sollte die rassistische „Blut und Boden“-Grundierung der nationalsozialistischen Ausgrenzungsgemeinschaft betonen.
Die demokratischen Erinnerungsorte an diesen und anderen Stätten nationalsozialistischer Selbstdarstellung leisten einen besonderen Beitrag zur historischen Aufklärung und zur Abwehr neonazistischer Tendenzen. Sie beleuchten anhand verschiedener „alltäglicher“ Aspekte (z.B. Urlaub, öffentliche Feiern, Elitenschulung, Führerkult) wie bedeutend die scheinbar gewaltfreien Identifikationsangebote der nationalsozialistischen Ideologie für die Durchsetzung des nazistischen Terrorsystems waren.

Am Ende des Symposiums waren sich die Veranstalterinnen und Veranstalter mit allen Referentinnen und Referenten einig, dass in Zukunft ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zwischen ihren speziellen Erinnerungsorten stattfinden sollte.

Weitere Informationen (bitte klicken)
zu Prora
zum Obersalzberg
zu Vogelsang
zu Nürnberg
zu Alt-Rehse
zum Bückeberg

Foto:
Hinten (von links): Andreas Stelzl, Markus Moors, Dr. Rainer Stommer, Kirsten John-Stucke
Vorne (von links): Marc Meyer, Dr. Sven Keller, Katja Lucke, Hans-Bernd Janzen, Bernhard Gelderblom, Heinz Köhler

Übergang 4

Anschrift

Kreismuseum Wewelsburg
Burgwall 19
33142 Büren-Wewelsburg
Deutschland

Kontakt

Tel. 02955 7622-0
Fax 02955 7622-22
nfwwlsbrgd
Kontaktformular

Datenschutzhinweis

Unsere Webseite nutzt externe Komponenten (Youtube-Videos, OpenStreetMaps). Diese helfen uns unser Angebot stetig zu verbessern und Ihnen einen komfortablen Besuch zu ermöglichen. Durch das Laden externer Komponenten, können Daten über Ihr Verhalten von Dritten gesammelt werden, weshalb wir Ihre Zustimmung benötigen. Ohne Ihre Erlaubnis, kann es zu Einschränkungen bei Inhalt und Bedienung kommen. Detaillierte Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.